Schwarze, Dirk
Dirk Schwarze zum Gedenken
Unser Kollege Dirk Schwarze ist am 15. Juni 2017, knapp nach der Eröffnung der documenta 14, an einer schweren Krebserkrankung gestorben. Bis zuletzt hatte der Autor des documenta Standardwerkes Meilensteine. 50 Jahre documenta gehofft, auch die 14. Ausgabe begleiten zu können, zumindest noch in Kassel, denn nach Athen konnte er schon nicht mehr reisen.
Mit seinem Gespür und seiner Offenheit für das Innovative befasste er sich bis zuletzt mit dem Ansatz der documenta 14 und deren Schwerpunkt auf so flüchtige Kunstformen wie Performance, Musik und Radiosendungen sowie die Sprengung der Grenzen zwischen den verschiedenen Kunstgattungen und Ausdrucksformen, zwischen Kunst, Kunsthandwerk und Volkskunst. Welch ein Unterschied zu der ersten documenta, die Dirk Schwarze in Die Kunst des Inszenierens: oder Als Arnold Bode Ernst Wilhelm Nay in den Himmel hob analysiert hat! Er, der mit allen documenta Leitern engen Kontakt pflegte und aus nächster Nähe den Wandel der documenta von einer Kunst-Ausstellung zum Kuratoren-Spielfeld beobachtete, hat schließlich seinen Aufsatz „Die Expansion der documenta-Kritik. Eine Ausstellung im Spiegel der Presse“ als Band 16 der AICA Schriften veröffentlicht. Darin beschreibt er, wie kritisch, polemisch und auch schon einmal rüde die Kunstkritik fortan mit den Kuratorinnen und Kuratoren umging.
Dirk Schwarze, 1942 in Glogau geboren, studierte Germanistik und Soziologie an der Universität zu Köln. Dort und in Solingen begann er seine journalistische Karriere. Anfang der 70er Jahre zog er nach Kassel, wo er von 1970 bis 1979 Redakteur der Hessischen Allgemeinen war und 1979 bis 1981 Kunstkritiker bei der Rheinischen Post in Düsseldorf. 1981 bis 2007 war er Leiter der Kulturredaktion und Kunstkritiker der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen (HNA) und ab 2002 Autor für Kultur und Sonderthemen. Wohl hat ihm sein 1982 durch die documenta 5 von Harald Szeemann gewecktes Engagement für die documenta den Spitznamen „Mister documenta“ eingebracht, zu den bereits genannten, aber sein Interesse und seine journalistische Aufmerksamkeit galten vielen unterschiedlichen Künstlern. Er schrieb Katalogtexte zu Joseph Beuys, Rolf Escher, Jörg Immendorf, Ansgar Nierhoff und vielen anderen.
Vor allem Kassel und die Region haben ihm wichtige Impulse zu verdanken. Er war lange Jahre ehrenamtlich im documenta-Forum tätig, seit 2007 als dessen Vorsitzender. Darüber hinaus war er im Kuratorium der Evangelischen Akademie Hofgeismar. Während des Neujahrsempfangs 2012 wurde Dirk Schwarze von Oberbürgermeister Bertram Hilgen zum Ehren-Kasselaner ernannt. Der Titel „Kasseläner honoris causa“ ist eine Auszeichnung, die seit 2007 beim Neujahrsempfang „zugereisten“ Personen verliehen wird, die besonders großen Anteil am kulturellen und sozialen Leben der Stadt Kassel haben.
Wir behalten ihn in lebendiger Erinnerung.
Danièle Perrier
Koblenz, 2017