Architektonisch bietet das Museum MARTa in Herford eben die Überraschungen, die man von einem Frank O. Gehry Gebäude erwartet. Aber dieses Mal haben wir es nicht mit einem hochragenden Solitär zu tun, der sich dem Stadtbild des Ortes aufdrängen würde, sondern eher mit einer einladenden Villa in einer schön gestalteten Gartenanlage.

Das MARTa, Museum für zeitgenössische Kunst und aktuelle Tendenzen im Design, besteht seit 2005. Ein roter Backsteinbau mit einem wogenden Edelstahldach und in alle mögliche Richtungen gekippten Lichtschächten. Errichtet auf der Grundstruktur einer ehemaligen Textilfabrik, die heute noch die offene, weitläufige Eingangshalle und eine kleine Bildergalerie in der ersten Etage beherbergt. Darum herum wurden die neuen Ausstellungsräume erbaut. Von außen gesehen geben sie das Bild einer eng gedrängten, bewegten Hügellandschaft ab. Im Inneren entstanden hohe, helle Räume, deren geschwungene Decken und elegante Linien nichts mehr mit dem nüchternen Funktionalismus des museumsüblichen White Cube zu tun haben. Dem für seine dekonstruktivistischen Kühnheiten bekannten Architekten Gehry ist es mit dem Bau gelungen, dass jede Ausstellung in diesem Gebäude zugleich den Blick für die Schönheit des sie umgebenden Raumes eröffnet.

In den vergangenen 10 Jahren konnte ein Ausstellungsprogramm entwickelt werden, das der Ausrichtung des Hauses auf die Präsentation von Kunst und Design gerecht wurde. Im Wechsel werden Einzelausstellungen und Themenausstellungen zur aktuellen Kunst, die Werke bedeutender Architekten und Einblicke in die Geschichte des Designs gezeigt. Auch Ausstellungen zur experimentellen Fotografie fehlen nicht.
Im Mittelpunkt stehen wohl die Themenausstellungen mit Blick auf die Aktualität der Kunstszene und Einzelpräsentationen zeitgenössischer Künstler.
Bei Design-Ausstellungen bewahrt Roland Nachtigäller, der Direktor des Hauses, wie er mir sagte, wenn immer möglich, historisch-kritische Distanz. Die Auswahl der Exponate wird thematisch bestimmt, aber die Fragestellung und der Blick des Kunsthistorikers stehen im Vordergrund. Über einen regelmäßig vergebenen RecyclingDesignpreis werden die neuesten Ideen für eine nachhaltige Verwendung von Gebrauchsgegenständen und alten Materialien prämiert, vom Möbelstück aus gefundenen Teilen bis zur Stromerzeugungsmaschine aus einem Fahrraddynamo.
Ausstellungen zur Fotografie beschränken sich nicht auf die Präsentation eines Genres, etwa der künstlerischen Fotografie, sondern umfassen in der Regel alle Arten des zeitgenössischen Umgangs mit diesem Medium.
Architekturausstellungen präsentiert Roland Nachtigäller gern in direkter Konfrontation mit diversen künstlerischen Positionen, so wie dies auch in der laufenden Ausstellung zu der Arbeit der Gebrüder Rasch der Fall ist. So zeigt er, dass der Rückblick in die Geschichte immer auch eine Interpretation aus heutiger Sicht beinhaltet.
Der Sammlungsbestand wird dementsprechend erweitert. Das Begleitprogramm ist vielfältig, die pädagogische Arbeit bezieht alle Alters- und Bevölkerungsgruppen mit ein.

Architektur und Ausstellungspolitik des Hauses haben eine Ausstrahlung weit über die Stadt Herford und deren Umgebung hinaus. Sie ziehen Besucher aus ganz Deutschland, Belgien und den Niederlanden an.

Die AICA vergibt die Auszeichnung „Museum des Jahres 2014“ an das MARTa Herford, weil sie der Meinung ist, dass die Arbeit dieses Museums auf beeindruckende Weise zeigt, wie die Erfahrung und Vermittlung zeitgenössischer Kunst mit einer außergewöhnlichen Architektur in Einklang zu bringen ist.

Text: Marie Luise Syring