2014 MARTa Herford

Museum des Jahres 2014

MartA Herford

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

Sie alle feiern heute gemeinsam das 10jährige Bestehen des MARTa Herford.
Ich freue mich, dass wir von der AICA dabei sein dürfen, und ich bedanke mich bei Roland Nachtigäller, bei seinen Mitarbeitern und allen Verantwortlichen der Stadt Herford für das Privileg, das Sie uns eingeräumt haben, indem Sie uns an Ihrem Fest teilhaben lassen.
Die deutsche AICA, die Teil des Internationalen Kunstkritikerverbandes ist, hat allerdings auch etwas zu feiern. Sie vergibt nämlich den Preis für das "Museum des Jahres" ebenfalls seit nunmehr 10 Jahren. Dabei handelt es sich um einen Preis, mit dem wir einmal im Jahr ein mittelgroßes Museum hervorheben, das auf hohe Qualität der Ausstellungen und der Sammlung Wert legt. Es ist uns daran gelegen, dass sowohl internationale als auch regionale Kunst Beachtung finden und dass ein Begleitprogramm dafür sorgt, dass das Publikum neugierig auf die eigene Geschichte bleibt und auf alles Neue in der Kunst. Generell wählen wir Museen aus, die sich dem wachsenden Kommerzialisierungstrend des Kunstbetriebs entziehen und sich stattdessen ein ganz eigenes, unverwechselbares Profil erarbeitet haben.

Erlauben Sie mir, ein paar Worte zu der AICA zu sagen:
Sie ist eine nichtstaatliche Organisation unter dem Dach der UNESCO, und sie vertritt Kunstkritiker aus 61 Ländern. Aufgabe unseres Verbandes ist es natürlich, die Rechte der Kunstkritiker zu wahren. Des Weiteren aber trägt die AICA eine besondere Verantwortung, die über die Vertretung der eigenen Berufsinteressen weit hinausgeht. Sie besteht in ihrer Selbstverpflichtung, für Menschenrechte und Pressefreiheit einzutreten und sich weltweit einzumischen, wenn diese gefährdet oder bedroht sind. Ob dies nun zum Beispiel in Armenien oder in Kuba geschieht, in den USA oder in Russland, oder, wie zuletzt, bei dem mörderischen Anschlag gegen eine satirische Zeitschrift in Paris.

Darüber hinaus haben wir es uns auch zur Aufgabe gemacht, die Kunst selbst in Schutz zu nehmen. Und zwar ebenso vor modischen Großevents wie vor den völlig übertriebenen Preisen, die nicht nur Meisterwerke, sondern auch viel künstlerisches Mittelmaß und banalste Objekte heutzutage im Kunsthandel erzielen. Ein Mittel dazu ist die jährliche Vergabe von Auszeichnungen für Ausstellungen und Museumsarbeit, die die AICA für preiswürdig hält, weil sie sich einer solchen Entwicklung entgegenstellen.

Folgendermaßen lautet nun die Begründung der AICA für seine Wahl zum Museum des Jahres 2014:
Architektonisch bietet das Museum MARTa in Herford eben die Überraschungen, die man von einem Frank O. Gehry Gebäude erwartet. Aber dieses Mal haben wir es nicht mit einem hochragenden Solitär zu tun, der sich dem Stadtbild des Ortes aufdrängen würde, sondern eher mit einer einladenden Villa in einer schön gestalteten Gartenanlage.

Das MARTa, Museum für zeitgenössische Kunst und aktuelle Tendenzen im Design, besteht seit 2005. Ein roter Backsteinbau mit einem wogenden Edelstahldach und in alle mögliche Richtungen gekippten Lichtschächten. Errichtet auf der Grundstruktur einer ehemaligen Textilfabrik, die heute noch die offene, weitläufige Eingangshalle und eine kleine Bildergalerie in der ersten Etage beherbergt. Darum herum wurden die neuen Ausstellungsräume erbaut. Von außen gesehen geben sie das Bild einer eng gedrängten, bewegten Hügellandschaft ab. Im Inneren entstanden hohe, helle Räume, deren geschwungene Decken und elegante Linien nichts mehr mit dem nüchternen Funktionalismus des museumsüblichen White Cube zu tun haben. Dem für seine dekonstruktivistischen Kühnheiten bekannten Architekten Gehry ist es mit dem Bau gelungen, dass jede Ausstellung in diesem Gebäude zugleich den Blick für die Schönheit des sie umgebenden Raumes eröffnet.

In den vergangenen 10 Jahren konnte ein Ausstellungsprogramm entwickelt werden, das der Ausrichtung des Hauses auf die Präsentation von Kunst und Design gerecht wurde. Im Wechsel werden Einzelausstellungen und Themenausstellungen zur aktuellen Kunst, die Werke bedeutender Architekten und Einblicke in die Geschichte des Designs gezeigt. Auch Ausstellungen zur experimentellen Fotografie fehlen nicht.
Im Mittelpunkt stehen wohl die Themenausstellungen mit Blick auf die Aktualität der Kunstszene und Einzelpräsentationen zeitgenössischer Künstler.
Bei Design-Ausstellungen bewahrt Roland Nachtigäller, der Direktor des Hauses, wie er mir sagte, wenn immer möglich, historisch-kritische Distanz. Die Auswahl der Exponate wird thematisch bestimmt, aber die Fragestellung und der Blick des Kunsthistorikers stehen im Vordergrund. Über einen regelmäßig vergebenen RecyclingDesignpreis werden die neuesten Ideen für eine nachhaltige Verwendung von Gebrauchsgegenständen und alten Materialien prämiert, vom Möbelstück aus gefundenen Teilen bis zur Stromerzeugungsmaschine aus einem Fahrraddynamo.
Ausstellungen zur Fotografie beschränken sich nicht auf die Präsentation eines Genres, etwa der künstlerischen Fotografie, sondern umfassen in der Regel alle Arten des zeitgenössischen Umgangs mit diesem Medium.
Architekturausstellungen präsentiert Roland Nachtigäller gern in direkter Konfrontation mit diversen künstlerischen Positionen, so wie dies auch in der laufenden Ausstellung zu der Arbeit der Gebrüder Rasch der Fall ist. So zeigt er, dass der Rückblick in die Geschichte immer auch eine Interpretation aus heutiger Sicht beinhaltet.
Der Sammlungsbestand wird dementsprechend erweitert. Das Begleitprogramm ist vielfältig, die pädagogische Arbeit bezieht alle Alters- und Bevölkerungsgruppen mit ein.

Architektur und Ausstellungspolitik des Hauses haben eine Ausstrahlung weit über die Stadt Herford und deren Umgebung hinaus. Sie ziehen Besucher aus ganz Deutschland, Belgien und den Niederlanden an.

Die AICA vergibt die Auszeichnung "Museum des Jahres 2014" an das MARTa Herford, weil sie der Meinung ist, dass die Arbeit dieses Museums auf beeindruckende Weise zeigt, wie die Erfahrung und Vermittlung zeitgenössischer Kunst mit einer außergewöhnlichen Architektur in Einklang zu bringen ist.

Ich möchte Ihnen gratulieren zu diesem schönen Fest
und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

Marie Luise Syring, Präsidentin der Deutschen AICA



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