Enzyklopädisch geleitet und daher assoziativ ist dieser Parcours durch die Sonnen-und Schattenseiten eines immer schon polarisierenden Berufsstandes – mit Exkursen zwischen Fakt und Fake. Fakt dürfte jedenfalls sein, dass die Zeiten, als das Urteil des Kunstkritikers, ganz selten der Kunstkritikerin, für Ausstellungshäuser oder Galerien noch ein geschätzter Maßstab war, längst vorbei sind. Kunstrichter und Scharfseher nimmt kaum jemand wirklich ernst. Vor oder gar mit der Digitalisierung, in jedem Fall vor Corona, war das Berufsbild der Kunstkritiker:innen bereits ins Wanken geraten.
Sonnte sich früher manch ein Kunstkritiker (!) insbesondere in der westlichen Welt im verführerischen Schein von Macht und Autorität, scheint dies dank Globalisierung und Dekolonialisierung in Kunst und Kultur erfreulicherweise ein Auslaufmodell. Die Rollenverteilung im internationalen Kunstbetrieb verändert sich massiv, allein eine Konstante bleibt: die prekäre Lage der Kunstkritiker:innen, die selten ausschließlich von der Kunstkritik leben können. Viele mutieren daher zum begehrten Objekt zahlungskräftiger Veranstalter oder wechseln die Seiten, werden etwa Galerist:innen, Kurator:innen, Museumsleute oder lassen sich irgendwie, vor allem diskret, von Unternehmen sponsern. Dabei bietet der Instrumentenkasten der Kunstkritiker:innen noch allerhand: Kritik bringt Menschen zusammen, eröffnet in diesen medial überfrachteten Zeiten, in der auch in demokratischen Ländern von Absage-, Lösch – oder Zensurkultur geprägten Medienlandschaft wertvolle Perspektiven und vermag, nicht zuletzt, das pressefreiheitliche Rückgrat zu stärken.