Jurorin: Elke Buhr

Als „besondere Ausstellung des Jahres 2020“ wähle ich „Bonzo’s Dream“ von Vivian Suter im Brücke-Museum Berlin. Kuratorin Lisa Marei Schmidt hatte die in Guatemala Lebende Malerin Vivian Suter und ihre im Februar 2020 verstorbene Mutter Elisabeth Wild eingeladen, im Brücke-Museum auszustellen und dabei mit der Sammlung des Hauses zu arbeiten. Das Ergebnis zeigt – trotz pandemiebedingem Distanz-Aufbau – zu welch großartigen Ergebnissen das oft bemühte Schlagwort von einer Aktualisierung der Kunstgeschichte aus zeitgenössischer Sicht führen kann. Kuratorin Lisa Marei Schmidt hat die Oberlichter des modernistischen Pavillons geöffnet und mit einem Schlag überraschend viel lichten Raum geschaffen, in dem Suters Leinwände frei schwingen konnten. Die Bilder rahmten die großen Fenster ein und lenkten den Blick in den Garten, sie umspielten aber auch in ungesehener Freiheit die Klassiker von Ernst Ludwig Kirchner oder Karl Schmidt-Rottluff, die teilweise sogar direkt auf Suters Werke gehängt wurden.
Der Umgang mit der Sammlung ist so spielerisch wie erhellend: Wild, deren Collagen Suters Installationen an einigen gut gesetzten Wänden ergänzen, wählte nie gezeigte Textilarbeiten aus, die nach Brücke-Werken entstanden, bezog Kunstgegenstände wie ein geschnitztes Schachspiel mit ein, ließ Bilder umdrehen, die an ihrer Rückseite weitere Werke verbergen. Und Suters Malereien brachten die Farbakkorde der Brücke-Bilder neu zum Singen. Selbst in den Außenraum reichte der frische Windhauch dieser gelungenen Eroberung der Kunstgeschichte ­– die nebenbei die Frauenquote im sonst so männlich geprägten Brücke-Umfeld phänomenal verbesserte.

Text: Elke Buhr