Shortlist-Jury: Carsten Probst, Sabine Maria Schmidt, Ludwig Seyfarth, Raimund Stecker

Mit der Auszeichnung „Ausstellung des Jahres“ haben die Kunstkritiker und – kritikerinnen die Inszenierung der Künstlergruppe Atis Rezistans (Port-au-Prince/Haiti) in der früheren Kirche St. Kunigundis in Kassel geehrt, die während der documenta fifteen zu sehen war. Die Gruppe präsentierte an diesem Ort ein umfangreiches Ensemble von Skulpturen und Reliefs, „das fordernd, spielerisch, geheimnisvoll und ironisch flüsternd arrangiert war, mit einem präzisen Auge für die Symmetrie der Architektur“. Geschaffen wurde vor dem Hintergrund von Marienkult und Voodoo ein ungewöhnlicher Dialog der Kunst, ein Ort der Groteske, der kreativen Verwilderungen und der Präsenz des Todes.

Ausgezeichnet wurde die von André Eugène und Leah Gordon kuratierte Ausstellung für ihre Furchtlosigkeit, ihren elaborierten Umgang mit dem Material, für den Zugriff auf eine künstlerisch durchdachte Form, die im Kontext der insgesamt von tiefgreifenden Kontroversen (unter anderem der Antisemitismusdebatte) fragmentierten Großveranstaltung fast aus dem Blick geraten war. Der Kirchenraum als Ausstellungsraum ist in seinem Potential voll erkannt worden; komplexe Überlegungen zu Spiritualität, Exotismus, Otherness und Verarbeitung von Gewalt wurden vielschichtig miteinander verwoben.

Text: Sabine Maria Schmidt

http://atis-rezistans.com/

André Eugène und Leah Gordon von Atis Rezistans: Ghetto Biennale bei der Verleihung „Ausstellung des Jahres 2022“ am Kaiser-Wilhelm-Museum Krefeld