Jury: Gerd Korinthenberg, Danièle Perrier, Uta M. Reindl, Ellen Wagner
Das Kunstmuseum Stuttgart ist nach dem Urteil von Kunstkritikern das „Museum des Jahres 2021“. Ein besonders weit gespannter Blick auf die Kunstwelt zeichnet das Museum der baden-württembergischen Landeshauptstadt seit Jahren aus, hieß es auf der Online-Mitgliederversammlung der deutschen Sektion des Internationalen Kunstkritikerverbandes AICA. Sowohl die unmittelbare Gegenwartskunst als auch die Klassische Moderne kommt mit Werken von Otto Dix oder Willi Baumeister zu ihrem Recht. „Das globale Kunstgeschehen hat in dem Haus am Stuttgarter Schlossplatz ebenso eine Bühne wie das künstlerische Schaffen in der Region“, betonten die Kritikerinnen und Kritiker.
Das seit 2010 von Ulrike Groos geleitete Kunstmuseum Stuttgart machte sich nach dem Urteil der AICA-Kritiker einen Namen mit Ausstellungen, die gekonnt die herkömmlichen Grenzen der Kunstsparten überwanden. 2015 geschah dies mit „I Got Rhythm. Kunst und Jazz seit 1920“: Werke afroamerikanischer Künstler und Künstlerinnen boten prägnante Beispiele einer zweiten Moderne, die parallel zur hinlänglich bekannten europäischen Kunstgeschichte verläuft. Auch das besonders enge Verhältnis des Schweizer All-Round-Künstlers Dieter Roth zu Sprache und Literatur war Ausstellungsthema.
Die bedeutenden Werkkomplexe aus der Sammlung des Stuttgarter Museums etwa von Dix und Baumeister, Josephine Meckseper oder Nevin Aladağ werden in Sonderausstellungen unter wechselnden Themen immer wieder neu präsentiert. Die 2005 gestartete Ausstellungsserie „Frischzelle“ ist in jährlichem Wechsel ein gelungenes und wichtiges Experimentierfeld für junge Künstlerinnen und Künstler aus Baden-Württemberg, hieß es zur Ehrung als „Museum des Jahres“.
Mit der bundesweit beachteten Ausstellung zur Rolle des Stuttgarter Kunstmuseums im Nationalsozialismus stellte sich das Haus 2020 auch dem dunklen Kapitel seiner Geschichte, die mit einer umfangreichen Schenkung im Jahr 1924 begonnen hat. Eine aktive Provenienz-forschung fragt nach der problematischen Herkunft einiger Kunstwerke, die unter den mehr als 15000 Stücken der Stuttgarter Sammlung während der NS-Zeit den Besitzer gewechselt haben.
Das künstlerische Schaffen von Frauen ist ein weiterer wichtiger Akzent der stetigen Sammlungs¬erweiterung und ebenso der Ausstellungspolitik des Hauses. So ließ die in Johannesburg geborene Künstlerin Candice Breitz 2016 im Stuttgarter Kunstmuseum Geflüchtete aus aller Welt in ihrem Videoprojekt „Love Story“ zu Wort kommen. Ab 19. Februar 2022 (bis 10. Juli 2022) hat unter dem Titel „Die Architektur einer Künstlerin“ die 1912 geborene und 1994 als Emigrantin in Venezuela gestorbene Gertrud Louise Goldschmidt („Gego“) ihren Solo-Auftritt im Museum der baden-württembergischen Landeshauptstadt.
Text: Uta M. Reindl