Engelhard, Günter
Mit dem legendären Epitheton vom durch Tataren verfettigten kriegsverletzten Beuys hat Günter Engelhard in mehreren Interviews mit dem Künstler Ende der sechziger Jahre eine, wie Hans Peter Riegel unlängst schrieb, „Marke“ gesetzt, „an der sich bis heute die überwiegende Zahl der Beuys-Rezipienten orientiert“. Gegen das Anathema des etablierten akademischen Kunstbetriebs machte Engelhard in Beuys den seiner Zeit einzigen deutschen Kunstprofessor aus, „der sowohl eine bildnerische wie eine Schule der Humanphilosophie begründen könnte“. Engelhard ahnte damit schon früh, was für Beuys noch kommen sollte. Dabei stand für ihn aber eigentlich maßgeblich die Frage im Zentrum: Wie entsteht Kunst? Welche Kräfte strömen zusammen, wenn ein Künstler arbeitet? Diese Fragen sind für Günter Engelhard niemals abstrakter, allgemeiner Art gewesen, sondern konkret und individuell: Welche Kräfte wirkten in Ferdinand Hodlers Stift und Pinsel, als er seine Geliebte Valentine Dodé-Darel auf dem Kranken- und Sterbebett zeichnete und malte, so dass ihre horizontale Gestalt allmählich und langsam mit der Schweizer Berglandschaft verschmelzend in sie versank? Mit präziser Sprache, geschliffenen Formulierungen zeichnete er die innere, eigentümliche Folgerichtigkeit der Striche und Farben auf Papier und Leinwand aus den innersten Windungen und Falten des Malers. Das Feuilleton war für ihn kein Informationsmedium, sondern selbst eine Form der Kunst. Günter Engelhard gehörte zu den ersten Förderern nicht nur von Josef Beuys, sondern auch der Künstler der Gruppe Zero und der Düsseldorfer Akademie wie Günther Uecker und Gotthard Graubner. Er war Redakteur bei Zeitungen wie der Frankfurter Rundschau, der Deutschen Zeitung, später Christ und Welt, dann Rheinischer Merkur. Er schrieb für Epoca, das Schweizerische Kunstmagazin DU sowie für DIE WELTWOCHE. Er verfasste Texte für Ausstellungskataloge, Radiobeiträge für den WDR sowie Lexikonbeiträge. 1972/1973 war er Chefdramaturg am Düsseldorfer Schauspielhaus. Zu seinen bedeutendsten Arbeiten zählen die u. a. in art, Das Kunstmagazin erschienenen Künstlerportraits, durch die er seinen Lesern eine Tür in den Kopf der Portraitierten öffnete: Konrad Klapheck, Roman Opalka, Norbert Kricke, Rudolf Hausner, Antoni Tàpies, Ingeborg Lüscher, Xenia Hausner, Georg Baselitz, Ilya und Emilia Kabakov, Bernhard Heisig, aber auch Klassiker der Moderne wie etwa Ferdinand Hodler. Seinen Lesern und Leserinnen verschaffte die Kraft seiner Sprache ein inniges Begreifen dessen, was das individuelle Prinzip des jeweils Portraitierten ist. 1975 wurde er mit dem Theodor-Wolff-Preis für Kultur geehrt. In den letzten Jahren hat er an gemeinsamen Buchprojekten mit der Portraitfotografin und Lebensgefährtin Angelika Platen gearbeitet.
Ein großer Begeisterer für die Kunst und Feuilletonist ist am 20. August in Berlin mit 84 Jahren gestorben.
Nachruf von Kristina Engelhard