AICA-Auszeichnungen 2024: „Museum des Jahres“, „Ausstellung des Jahres”, „Besondere Ausstellung“
Die renommierte Auszeichnung „Museum des Jahres 2024“ geht an das Dresdner Archiv der Avantgarden – Egidio Marzona (ADA). Das entschied der Kunstkritiker:innenverband AICA Deutschland auf seiner Jahresversammlung in Leipzig. Zur „Ausstellung des Jahres 2024“ wurde „Sea and Fog“ in der Kunsthalle Baden-Baden gewählt. „Besondere Ausstellung 2024“ ist „Aber hier leben? Nein danke. Surrealismus + Antifaschismus“ im Münchner Lenbachhaus.
Museum des Jahres 2024: Das Archiv der Avantgarden – Egidio Marzona (ADA)
Mit der Wahl des ADA zum „Museum des Jahres“ werde „die mutige Entscheidung des Freistaates Sachsen“ gewürdigt, „eine gänzlich neue Institution zu schaffen und finanziell auszustatten“, so AICA-Juror Bernhard Schulz. „In einer Zeit schwieriger Haushaltslagen und eines massiven Rückbaus kultureller Förderung – gerade auch in Dresden – zeigt das kunstsinnige Sachsen, worauf Politik stolz sein kann“, ergänzt AICA-Präsident Kolja Reichert: „den Reichtum öffentlicher Sammlungen für die Zukunft zu bewahren, Entdeckungsfreude zu schüren und das Museum im Dialog mit dem Publikum permanent neu zu erfinden.“
Das Archiv der Avantgarden eröffnete im Mai 2024 und beruht auf einer Schenkung des Sammlers Egidio Marzona an den Freistaat Sachsen im Jahr 2016. Die von Marzona seit den 1960er Jahren aufgebaute Sammlung umfasst rund eine Million Objekte. Neben herausragenden Kunstwerken enthält sie Skizzen, Briefe, Notizen, Schallplatten, Ausstellungsplakate und weitere Zeugnisse künstlerischer Prozesse. Die Herausforderung einer solchen Sammelpraxis führe unter Direktor Rudolf Fischer zu einer „Institution eigener Art“, die ihre Methoden fortlaufend transparent macht und befragt, so die AICA. „Die Forschung des ADA könnte in zehn Jahren das Museum selbst komplett verändern oder einen anderen Begriff der Avantgarde oder der Moderne hervorbringen“, so AICA-Vizepräsident Carsten Probst. So demonstriert das ADA auch, dass Komplexität, Schaulust und Zugänglichkeit nicht im Widerspruch stehen, sondern einander bedingen können.
Ausstellung des Jahres 2024: „Sea and Fog“ in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden
Kurator:innen: Çağla Ilk, Misal Adnan Yıldız, Sandeep Sodhi
Die 1909 eröffnete Staatliche Kunsthalle Baden-Baden blickt zurück auf ihre Gründungsjahre. Arbeiten von 19 zeitgenössischen Künstler:innen von Etel Adnan bis Yael Bartana treffen auf einst hier gezeigte Werke von Käthe Kollwitz und Otto Dix. Ergebnis ist eine „kluge und ästhetisch gelungene Ausstellung, die Geschichte und Gegenwart miteinander verbindet“, heißt es in der Begründung der AICA-Juror:innen Ursula Grünenwald und Oliver Hardt. Beispielhaft sei, dass „an keiner Stelle die Kunst eine These illustriert, sondern im Gegenteil: Starke künstlerische Positionen entwickeln eigene ästhetische Diskurse, die uns das zentrale Thema nahebringen. Wie riecht Krieg, wie klingt er, was richtet er mit den Körpern und in den Köpfen derjenigen an, die von ihm betroffen sind?“ Mit „Sea and Fog“ kommt eine 116 Jahre währende Geschichte der Avantgarde in Baden-Baden zum vorläufigen Abschluss. Ab Herbst 2025 soll die Kunsthalle zur Ausweichspielstätte für das Badische Landesmuseum werden.
Besondere Ausstellung 2024: „Aber hier leben? Nein Danke. Surrealismus + Antifaschismus“ im Lenbachhaus, München
Kurator:innen: Stephanie Weber, Adrian Djukić, Karin Althaus; kurat. Mitarbeit: Johannes Michael Stanislaus
Mit zahlreichen Werken und Archivmaterialien zeigt das Lenbachhaus den Surrealismus als internationale Bewegung, die vielerorts gegen den Faschismus kämpfte. AICA-Jurorin Carina Bukuts bescheinigt der Ausstellung eine „so offensichtliche wie erschreckende Aktualität“. Sie lobt den „Widerstand“ der Kurator:innen gegen „die Versuchung, einen kalkulierten Blockbuster zu machen“. Explizit würdigt Bukuts die Kontinuität, mit der das Lenbachhaus seit vielen Jahren den Kanon neu befragt (darunter „Gruppendynamik: Der Blaue Reiter“ (2021–2023) und „Gruppendynamik: Kollektive der Moderne“ (2021)). „Aber hier leben? Nein, danke“ sei „eine wichtige Erinnerung daran, dass ‚der Surrealismus‘, wie André Breton sagt, ‚kein ästhetisches Abenteuer [ist], sondern ein Mittel, die Welt zu revolutionieren‘. Mit dem großen Zuspruch, den diese Ausstellung erhalten hat, bleibt zu wünschen, dass es noch mehr Versuche geben wird, auf der Freiheit der Kunst so zu insistieren, wie es hier geschieht.“