2018

Verleihung des Rheintalers

an die Kunstkritikerinnen
Dr. Annelie Pohlen und Renate Puvogel

Überreichung durch Prof. Dr. Jürgen Wilhelm,
stellvertretender Vorsitzender
der Landschaftsversammlung Rheinland
am 10. Juli 2018 im Museum Abteiberg

PRESSEMITTEILUNG

Der Landschaftsverband Rheinland hat den traditionsreichen Rheinlandtaler am vergangenen Dienstag, dem 1. Juli 2018 an zwei Kunstkritikerinnen aus Bonn und Aachen verliehen. Dr. Annelie Pohlen und Renate Puvogel wurden für ihre langjährige regional wie international wirkende Arbeit für die Gegenwartskunst im Rheinland ausgezeichnet.

Dr. Annelie Pohlen und Renate Puvogel haben die Entwicklung des künstlerischen Rheinlands, seiner Künstler, Museen, Kunsthallen, Kunstvereine und Galerien seit den 1970er Jahren begleitet und verfolgen sie hin zur heutigen Gegenwart. Viele frühe Texte über heute bedeutende Künstlerinnen und Künstler des Rheinlands wurden von ihnen geschrieben. Stets arbeiteten sie als freie Kritikerinnen, meist mit geringem Honorar. Sie genießen einen einzigartigen Ruf in der Kulturwelt, der sich während der Feierstunde auch am großen Publikum aus der rheinischen Kunstszene ablesen ließ.

Michael Schroeren, Bürgermeister der Stadt Mönchengladbach, sprach als Mitglied der Kommission Rheinlandtaler und begründete die außergewöhnliche Wahl der Kunstkritikerinnen: „Seit 1976 verleiht der Landschaftsverband den Rheinlandtaler für Verdienste um die rheinische Kultur. Wir haben hier eine sehr reiche und breit gefächerte Kulturlandschaft in sehr unterschiedlichen Facetten. Sie reicht von der Archäologie und Archivpflege über Denkmal- und Naturschutz bis zu multinationalem Zusammenleben und grenzüberschreitendem Engagement. Diese kulturelle Fülle immer wieder sichtbar und spürbar zu machen, das hat sich der LVR auf seine Fahnen geschrieben.
Er möchte mit seiner Arbeit auch zeigen, was die Kulturarbeit für den Zusammenhalt einer Region, für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, bedeutet.“

Prof. Dr. Jürgen Wilhelm, stellvertretender Vorsitzender der Landschaftsversammlung Rheinland, führte diese Gedanken in seiner großen Laudatio fort: „Mit der Verleihung verweist der LVR auf das unermüdliche Engagement beider, auf ein Leben für die Kunst und Kultur der Region, die durch außerordentliche Vermittlungsarbeit auch darüber hinaus zur Wirkung und Entfaltung gebracht wird.“ Prof. Wilhelm porträtierte die Geehrten als zwei „für die Kunst und Kultur überzeugend Streitende“ und gab seiner Rede eine proklamatorische Kraft: „Wir brauchen Frauen wie Sie, die kritische und idealistische Multiplikatoren für die Kunst sind, damit der Stellenwert der Kunst als Medium der Schärfung unserer Wahrnehmung in der gesamten Region und in unserer Gesellschaft seine Relevanz nicht verliert!“

Medien:

Grußwort Michael Schroeren, Bürgermeister der Stadt Mönchengladbach [Link]

Laudatio Prof. Dr. Jürgen Wilhelm, stellvertretender Vorsitzender der Landschaftsversammlung Rheinland [Link]

Auf dem Foto von links nach rechts: Michael Schroeren- Bürgermeister der Stadt Mönchengladbach, Renate Puvogel, Dr. Annelie Pohlen, Prof. Dr. Jürgen Wilhelm - Stellvertretender Vorsitzender der Landschaftsversammlung Rheinland.


M. Schroeren, R. Puvogel, A. Pohlen, J. Wilhelm Foto Uwe Riedel

Verleihung Rheintaler Grußwort M. Schroenen

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich freue mich sehr, Sie zu einer besonderen Veranstaltung begrüßen zu dürfen. Und das zur Verleihung des Rheinlandtalers an zwei außergewöhnlichen Persönlichkeiten. Herzlich willkommen im Museum Abteiberg, sehr geehrte Frau Dr. Pohlen und Frau Puvogel.
Ich begrüße Sie auch im Namen von Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners, den ich heute vertrete.

Herzlich begrüße ich außerdem die Mitglieder der Landschaftsversammlung Rheinland mit ihrem stellvertretenden Vorsitzenden, Herrn Professor Wilhelm, an der Spitze. Ebenso unseren Landtagsabgeordneten Frank Boss und den Bezirksvorsteher Herbert Pauls sowie die Vertreter aus Rat und Verwaltung.

Nicht nur heute, aber heute ganz besonders, begrüße ich im Museum Abteiberg die Vertreterinnen und Vertreter der Medien; denn heute stehen zwei medial arbeitende Frauen im Mittelpunkt. In einer Zeit, in der Medienmenschen pauschal als unglaubwürdig dargestellt und bekämpft werden können, ist auch das ein wichtiger Aspekt.

Hier auf dem Abteiberg schlägt das geistige und kulturelle Herz der Stadt. Hier wurde die Stadt gegründet, hier entwickelt sie sich vital weiter. Tradition trifft Moderne. Kultur auf Konsum, kirchliches auf profanes Leben. Und aus diesen unterschiedlichen Polen entsteht eine Spannung, die ebenso inspirierend wie irritierend sein kann. Schon deshalb ist der Abteiberg ein passender Ort für die heutige Verleihung des Rheinlandtalers.

Auch wenn die beiden Auszuzeichnenden Damen keine Mönchengladbacherinnen sind, sondern von Bonn beziehungsweise Aachen aus wirken. Ich habe als Mitglied der Landschaftsversammlung die heutigen Preisträgerinnen vorschlagen dürfen und auf Vorschlag von Frau Titz das Museum als Veranstaltungsort für die Preisverleihung ins Gespräch gebracht. Es ist uns eine Ehre, heute Gastgeber zu sein. Da spreche ich auch im Namen von Susanne Titz.

Seit 1976 verleiht der Landschaftsverband den Rheinlandtaler für Verdienste um die rheinische Kultur. Wir haben hier eine sehr reiche und breit gefächerte Kulturlandschaft in sehr unterschiedlichen Facetten. Sie reicht von der Archäologie und Archivpflege über Denkmal- und Naturschutz bis zu multinationalem Zusammenleben und grenzüberschreitendem Engagement. Diese kulturelle Fülle immer wieder sichtbar und spürbar zu machen, das hat sich der LVR auf seine Fahnen geschrieben.

Er möchte mit seiner Arbeit auch zeigen, was die Kulturarbeit für den Zusammenhalt einer Region, für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, bedeutet. Der Rheinlandtaler hat deshalb in mehr als 40 Jahren nicht an Attraktivität verloren.

Die heutigen Preisträgerinnen, Dr. Annelie Pohlen und Renate Puvogel, sind gute Beispiele dafür, welch wichtige Funktion in der Kunst auch die Kritik hat. Kunst wird erst durch ihre Präsentation öffentlich. Deshalb sind Museen so wichtig. Kunst wird aber auch zum öffentlichen Thema durch öffentliche Auseinandersetzung mit ihr. Deshalb sind die Medien unabdingbar für künstlerische Aufmerksamkeit. Der Kunstbetrieb ist kein Perpetuum mobile. Er braucht immer auch Anstöße, Impulse. Und solche Impulsgeberinnen sind Sie Beide.

So individuell Ihr Wirken ist, so sehr vereint Sie doch eine große Konsequenz und Stringenz in Ihrer Arbeit. Sie arbeiten nahezu seismografisch, mit einem ausgeprägten Gespür für das, was sich kulturell gerade tut. Und mit einem ausgeprägtem Sprachgefühl. Das, was Sie publizieren und vermitteln, ist nicht Meinung, sondern Überzeugung. Sie positionieren sich klar und setzen Maßstäbe. Sie sind unglaublich wach, neugierig, unabhängig und offen. Als renommierte Kunstkritikerinnen ist Ihnen Selbstkritik nicht fremd. Im Gegenteil: Sie verfügen ja gerade über ein breites Instrumentarium des Fragens und Hinterfragens. Sie haben ein Gespür für das Neue, das Andere, das Echte. Auch in sich selbst.

Liebe Frau Dr. Pohlen, liebe Frau Puvogel, ich freue mich sehr, dass Sie heute hier im Museum Abteiberg sind und eine große Auszeichnung erhalten für ihr ehrenamtliches und berufliches Schaffen, das ineinander übergeht. Wenn man so erfüllt ist von einer Aufgabe, gibt es keine scharfe Trennung zwischen Arbeit und Privatem. Begegnungen mit Kunst und mit Künstlern können professionell und gleichzeitig persönlich sein. Was mich an Ihnen am meisten beeindruckt, ist, dass Sie jede für sich und auf Ihre Weise „eigen-sinnig“ sind. Das braucht die Kunst – auch die schreibende. Vielen Dank.
Bürgermeister Michael Schroeren
Städtisches Museum Abteiberg, Mönchengladbach
10. Juli 2018


Bürgermeister Michael Schroeren Foto Uwe Riedel (Detailansicht)

Verleihung des Rheintalers Laudatio Prof. Wilhelm

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Schroeren,
liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Landschaftsversammlung Rheinland,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
und insbesondere natürlich sehr verehrte Frau Puvogel und sehr verehrte Frau Dr. Pohlen,

wir freuen uns heute besonders, weil der Landschaftsverband Rheinland den Rheinlandtaler gleich zweimal verleihen wird: an Frau Renate Puvogel aus Aachen und Frau Dr. Annelie Pohlen aus Bonn. Beide Persönlichkeiten haben vor allem in der vorbildlichen, kritischen Vermittlung zeitgenössischer, aktueller Kunst und Kultur [in der Städteregion Aachen und //oder Aachen zu Rheinland zählen//] im Rheinland überaus bemerkenswerte produktive Leistungen vollbracht, die in diesem Ausmaß ohne zusätzlich ehrenamtliches Engagement gar nicht zu denken wären. Im Kulturbereich, das wissen wir alle, führt kein bezahlter Dienst nach Vorschrift zum Erfolg. Vielmehr treffen wir auf eine Begeisterungsfähigkeit, eine lustvolle Selbstausbeutung und ein kommunikatives Sendungsbewusstsein, weil man in seinen Aufgaben positiv aufgeht. Und all das führt heute zu der verdienten Ehrung durch den Rheinlandtaler. Und wir haben das Städtische Museum Abteiberg in Mönchengladbach als Ort der Feierlichkeit ausgesucht, weil es zum Netzwerk beider Damen gehört.
Lassen Sie mich nun zunächst das Wirken von Frau Puvogel würdigen und gleich danach das von Frau Dr. Pohlen.

Mit der Ehrung durch den Rheinlandtaler wollen wir Frau Renate Puvogel dafür danken, dass sie über viele Jahrzehnte die Kunst und die Künstler mit ihrer Kritik im positivsten Sinne unterstützt hat. Renate Puvogel ist eine – so möchte man vielleicht formulieren – „Kunstflüsterin“. Sie versteht es mit den Menschen in der Kunst in einen Dialog zu treten, der mit einem neugierigen Nachfragen beginnt und der am Ende immer wieder mit einem hohen Verständnis und der Fähigkeit verbunden ist, die oft komplexen und schwierigen Inhalte zeitgenössischer Kunst zu erfassen und sowohl verständlich wie auch analytisch weiterzugeben.

Renate Puvogel hat oft den ersten Text über einen jungen Künstler oder eine junge Künstlerin geschrieben. Wer die Szene kennt, weiß, was das bedeutet. Vertrauen zu bekommen von einem Menschen, dessen Meinung Gewicht hat in der Kunstwelt, ist für einen Künstler oder eine Künstlerin die höchste und erste Auszeichnung, die er in seinem Leben bekommen kann. Dass da einer ist der zuhört, hinsieht, analysiert und das Ergebnis dann der Welt verkündet, das ist ein Geschenk. Dann zu erleben, dass eine junge künstlerische Position, die man entdeckt hat und die einem wichtig erscheint, später auch ihren Weg macht und zu Erfolg und Anerkennung kommt, das ist einer Leidenschaft geschuldet, die mit Entdecker- und Pioniergeist zu vergleichen ist.

Dies ist in der zeitgenössischen Kunstkritik nicht selbstverständlich. Schon der Begriff der Kritik beinhaltet mehrere Komponenten, das kritische Hinsehen genauso wie das sich Auseinandersetzen im Sinne des Verstehens wollen. Renate Puvogel hat die Kunst und die Menschen immer verstehen wollen und hat mit jedem neuen Ansatz und jeder neuen Begegnung mit Kunst und Künstlern zunächst ihren Horizont erweitert und dann die Perspektiven für ihre Leser eröffnet. Mit dieser Neugierde und der Fähigkeit in jedem Gespräch Neues zu lernen, ist Renate Puvogel jung geblieben und stellt immer noch fast kindlich-provozierende Fragen, nach dem „was“ die Kunst beinhaltet, was sie mit den Menschen macht und inwieweit sie in die gesellschaftlichen und lebensweltlichen Bereiche eines jeden Einzelnen eindringt. Zufrieden ist sie erst, wenn sie versteht und daher formulierte sie einmal selbst:

“Die Künstler, über die ich geschrieben habe, haben mehr mit mir zu tun als ich mit Ihnen.“

Renate Puvogel, ist keine geborene Rheinländerin. Die präzise klare Sprache des hohen Nordens ist ihr bis heute eigen und charakterisiert sie auch ein Stück weit. In Bremen geboren und aufgewachsen, heiratete sie 1963 und bekam zwei Kinder. 1972 ging sie mit ihrem Mann nach Aachen. Studiert hat Renate Puvogel zunächst Germanistik, Philosophie und Geographie und als letzte und für sie selbst auch bedeutendste Profession dann Kunstgeschichte, und dies an vielen Orten: in Freiburg, Hamburg, Kiel, Rom und Aachen. In Aachen hat sie die Museums- und Kunstszene für sich entdeckt und seither von dort aus agiert. Sie ist Mitglied im internationalen Kritikerverband und hat als freie Publizistin im Bereich zeitgenössischer Kunst rund 50 Künstlerportraits und zahlreiche Rezensionen und Textbeiträge in Zeitschriften, Katalogen und Büchern veröffentlicht. Wenn wir uns das als Regalmeter vorstellen, würden sie sicher zwei Meter füllen. Zwei Werke über ihre Arbeit sind erschienen, „Lehrgeld“ von 1995 und „Über Künstler unserer Zeit“ von 2002. Im gleichen Jahr 2002 erhielt sie von der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kunstvereine den Preis für Kunstkritik und das alles zunächst ohne offiziellen Abschluss an einer Universität. Erst 1980 entschied sie sich, ihren Magister in Kunstgeschichte zu machen, den sie 1984 abschloss.

Aber der Abschluss der Universität ist im Kontext eines solchen unruhigen Kunstgeistes eigentlich eher unerheblich. Renate Puvogel ist vor allen Dingen an der Interdisziplinarität interessiert. Sie ist eben keine reine Kunsthistorikerin, sondern eine Allrounderin, der das Theater, die Literatur, die Musik mindestens gleichbedeutend sind und deren Verknüpfung untereinander sie besonders schätzt und fördert.Wichtig ist immer nur die ständige Suche in der Welt der Kunst, mit den Besuchen in den Ateliers und der Auseinandersetzung mit jedem einzelnen Künstler und jeder einzelnen Position.

Ihr Einstieg in die Kunstwelt war ein journalistischer, begleitet durch langjährige Tätigkeit am
Suermondt-Ludwig Museum. Hier wurde sie in der zeitgenössischen Kunstszene zur wichtigen Ansprechpartnerin und Mediatorin. Und sie war nicht nur dabei, sie mischte mit. Im Aachener Kunstverein, bei Galerien und in Museumsausstellungen. Mit Renate Puvogel über die Kunst der 70er, 80er, 90er Jahre zu sprechen, ist wie ein Parcoursritt durch die Kunstgeschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Kein Künstler, den sie nicht kennt, kaum eine Ausstellung die sie nicht gesehen und kommentiert hat und eine immer wieder aufscheinende Leidenschaft für die wichtigen Themen der Zeit, die sie bis heute in der Kunst aufnimmt, kommentiert und darauf reagiert.

Ihre Wahlstadt Aachen spiegelt jenen neuen Aufbruch nach 1945 in einem besonderen Kontext wieder. Hier gab es die Gründung der Neuen-Galerie-Sammlung Ludwig, die Erweiterung des Suermondt-Ludwig Museums, die Neugründung des Ludwig-Forums für internationale Kunst und von Beginn an die kritischen Gegenpositionen wie den „Gegenverkehr“ oder den neuen Aachener Kunstverein, den Renate Puvogel von Beginn an in vielerlei Hinsicht unterstützt und gelenkt hat - nicht nur im Vorstand, sondern auch durch kuratorische Impulse.

Alle genannten Institute, Einrichtungen und Initiativen sind in die Kunstgeschichte eingegangen - als internationale Impulsgeber mit Station im Rheinland. Dieser Siegeszug durch die internationale Kunstszene ist vor allen Dingen auch Personen wie Renate Puvogel zu verdanken, die der Kunst im Kontext der „Weltgeschichte“ eine Stimme und einen Text verliehen hat.

Renate Puvogel ist zudem, was ihr Alter betrifft - wenn ich dies scheinbar uncharmant erwähnen darf – jemand, der die Entwicklung der freien Kunst nach 1945 auch deshalb als so bereichernd und notwendig erkannt hat, da ihr noch die Zeit des Nationalsozialismus präsent war –vermittelt durch die Eltern und älteren Geschwister. Sie erlebte den Wunsch, sozusagen „den Hunger“ nach echten und wahren künstlerischen wie kulturellen Ereignissen nach diesen grauen, düsteren Jahren. Daher ist die Kunst für Renate Puvogel immer zugleich ein Garant für Freiheit, Offenheit und Toleranz, die sie in all den Jahrzehnten ihrer kritischen Arbeit immer als erste und wichtigste Forderung verstanden hat.

Noch heute arbeitet sie vernetzt mit anderen Kunst-Kritikern, um neues Land zu erforschen auf der Suche nach der Kunst, den Künstlern und den Möglichkeiten der Kunst in unserer Gesellschaft. Gerade eben bereiste sie Israel und erlebte die Ateliers in Jerusalem und Tel Aviv, wovon sie eindrücklich im Kunstforum berichtete. Immer wieder spürt man, Renate Puvogel schreibt, analysiert und forscht, weil dies ihre Herzensangelegenheit, nicht ihr Beruf, sondern vielmehr ihre Berufung ist.

Daher steht das ehrenamtliche Engagement bei Renate Puvogel von Anfang an neben dem beruflichen. Die Grenze zwischen beiden Bereichen ist fließend. Ihr Engagement für den Kunstverein, ihr professionelles Ehrenamt und ihre Tatkraft für die Lousberg-Gesellschaft lässt sie als „Heimatforscherin“ und Denkmalschützerin auftreten. Hier geht es um die Erhaltung dieses besonderen Ortes, den der Landschaftsverband sehr gut kennt. Denn dort, am Lousberg, wurden schon in der Steinzeit die besonders qualitätvollen Feuersteine gebrochen, die dann – quasi über Handelsrouten - in die damals bekannte weite Welt gelangten, sodass wir heute nicht nur in der Gegend um Aachen, sondern weit darüber hinaus, bis nach Frankreich, Ungarn und Italien Feuersteine finden, deren Herkunft vom Lousberg eindeutig zu belegen sind.

Neben dem Aachener Kunstverein, der Lousberg-Gesellschaft, ist Sie in dem Förderverein der Theaterinitiative und in vielen weiteren Fördervereinen im kulturellen Bereich aktiv, um immer wieder zu intervenieren, einzugreifen, zu helfen und zu fördern. Immer wieder steht sie auf, meldet sich zu Wort und handelt. Als Vertreterin der Kunst im Rheinland und über das Rheinland hinaus, als Unterstützerin von Künstlerinnen und Künstlern und als geschätzte Partnerin für die Museen - wie hier in Mönchengladbach - hat Renate Puvogel einen wichtigen Anteil für das kulturelle Erbe des Rheinlands im Sinne einer zukunftsorientierten Vision geleistet, als eine Person, der Gestaltung, Innovation und Veränderung wichtig ist.

Wir danken Renate Puvogel für dieses unermüdliche und leidenschaftliche Engagement.



Die zweite Ehrung durch den Rheinlandtaler am heutigen Tag geht an Frau Dr. Annelie Pohlen aus Bonn, die – vergleichbar mit dem Aktivitätsprofil Ihrer Kollegin Frau Renate Puvogel in Aachen – vor allem als profilierte und eigenständige Kunstvermittlerin im weitesten Sinne nachhaltig wirkte und noch wirkt und sich durch die Konsequenz ihrer intellektuellen Haltung höchsten Respekt verdiente.

Anna Elisabeth Maria Pohlen (so ihr vollständiger Name) wurde 1944 im Moselstädtchen Bernkastel-Kues geboren und studierte Geschichte, Romanistik und Kunstgeschichte in Bonn und Paris.
Ihr Doktorvater Prof. Dr. Eugen Ewig, ein renommierter Historiker an der Universität Bonn, der die Geschichte des frühen Mittelalters erforschte und als bester Kenner der Merowingerzeit galt, war eine persönlich bedeutende Begegnung gleichsam als Gegenfigur für Annelie Pohlen - wie sie selbst es einmal charakterisierte -, die bereits während ihres Studiums besonders von der aktuellen Kunst angezogen wurde. Sie ging zu dem Mediävisten, weil für die Neuzeit ein nach ihrem Verständnis reaktionärer Professor zuständig war, mit dem sie nicht zusammenarbeiten wollte. Sie verabredete ein eher offenes, geisteswissenschaftliches Thema, das 1974 unter dem Titel „Die südeuropäisch-spanisch-gotische Gruppe in den geistigen Auseinandersetzungen der Karolingerzeit“ als Dissertation vorgelegt wurde.
Frau Dr. Pohlen schätzte die Persönlichkeit von Herr Prof. Ewig nicht nur als Kapazität in seinem Fach, sondern auch, weil er ein absolut optimistischer Mensch war und darin ebenfalls kontrastierend für sie als achtenswertes Beispiel wirken konnte.

Annelie Pohlen war bereits früh um geistige Unabhängigkeit bemüht und blieb deswegen zeitlebens skeptisch im Hinblick auf Vor- oder Leitbilder, die sich in bestimmten Personen festmachen. Ihre Grenzsetzungen im Dschungel der Kunstszene hat sie stets eigenhändig zu bahnen gewusst, ohne dabei die Machete gegenüber der Gartenschere zu voreilig eingesetzt zu haben. Pohlen gehört zwar der 68er-Generation an, blieb aber völlig undogmatisch. Zitat: „Jede sich als Wahrheit ausgebende These ist mir suspekt, weshalb mir das offene Territorium der Kunst gerade recht ist.“

Nach ihrer Promotion arbeitete Frau Dr. Pohlen als freie Kunstkritikerin und Publizistin für Tageszeitungen, wie u.a. dem Bonner Generalanzeiger, der Süddeutschen Zeitung, der Nürnberger Zeitung, dem Radio (u.a. ORF, SFB) und Kunstmagazinen, wie beispielsweise „heute Kunst“, „Flash Art“, „Kunstforum International“ oder „Artforum“. Sie schrieb anfangs über Literatur ebenso wie über Theater, Film und Bildende Kunst. Nur nicht über Musik, bei der sie sich als dilettierende Genießerin sah. Sie ist Mitglied in der deutschen Sektion der Association Internationale des Critiques d’Art (AICA).

Seit 1980 begann Annelie Pohlen zudem ehrenamtlich Ausstellungen für den Bonner Kunstverein zu organisieren, um herauszufinden, ob auch dieser Teil der Vermittlung ihre Sache wäre. In dieser frühen Zeit ihrer kunstvermittelnden Entfaltung als freie Ausstellungskuratorin fällt auch die wichtige Begegnung mit Joseph Beuys, zu der sie ein ausgesprochen gutes Verhältnis hatte und vor allem seine Offenheit, seinen Witz, seine Diskussionsbereitschaft und die Zusammenarbeit mit ihm anlässlich der Ausstellung „Zeichen und Mythen“ (1980/81) schätzte.

Annelie Pohlens Tendenz war dann gegen Mitte der 1980er Jahre, sich aus der schreibenden Kritikerrolle heraus zu lösen, weil sie – wie sie einmal formulierte – Überdruss empfand, jedes Werk und jeden Künstler in Zeilen innerhalb von Spalten unterzubringen.

So wurde sie schließlich 1986 zur Direktorin des Bonner Kunstvereins ernannt. Der Umzug des 1963 gegründeten Kunstvereins in die umgebaute Blumenmarkthalle am Hochstadenring im Jahre 1987 markierte den Anfangspunkt dieser neuen Ära. Bis zu ihrem Rückzug im Jahr 2004 wurden nun in umfangreicher Folge sowohl monographische, als auch thematische Ausstellungen gezeigt.

Einzelausstellungen von Gustav Kluge, Nancy Spero, Annette Messager, Thomas Ruff, Kiki Smith,
Alighiero e Boetti, Marlene Dumas, Miriam Cahn, Katharina Sieverding, Heimo Zobernig, Lois Weinberger oder Hannah Villiger, um nur einige wenige hier zu nennen, verweisen auf die Bedeutsamkeit und Weitsicht der Auswahl. Nach geraumer Zeit zeigte sich, dass hier frühzeitig Künstler und Positionen präsentiert wurden, die später erst bei Biennalen, documentas oder sonstigen Großausstellungen einem breiteren Publikum bekannt wurden.

Die Künstler-Teilnehmerliste der – sage und schreibe – über 200 Ausstellungen, die in Annelie Pohlens Wirkungszeit zu sehen waren, liest sich wie ein ‚Who is Who‘ der Kunstszene. Ihr Programm, ihr tiefgreifendes Engagement und ihre nie nachlassende Vermittlungsarbeit gab der Bonner Institution ein weit über die Region ausstrahlendes Ansehen bis hinein in das Spitzenfeld deutscher Kunstvereine.

Dabei soll nicht unterschlagen werden, dass die größten Probleme in der durchaus engen bis mangelhaften finanziellen Ausstattung von Ausstellungen und Katalogen lagen. Problemen, denen sich Frau Dr. Pohlen immer wieder neu stellen und die sie immer wieder neu meistern musste.

Annelie Pohlen folgte trotzdem radikal ihrer inneren Überzeugung, ihr Programm wollte sie frei gestalten und die Auswahl war dabei durchaus subjektiv. Sie ließ ihre „antinormative Haltung“ (Zitat A.P.) ebenso zum Tragen kommen wie eine „gewisse Neigung zum Diskurs über Existenz, Essenz, Wirklichkeit“ (Zitat A.P.). Und gerade damit konnte das Programm gleichsam seismografische, ja visionäre Qualitäten entwickeln. Sie sagte einmal keck: „Ich werde so schlecht bezahlt, dass ich wenigstens machen will, was mir Spaß macht.“ Und diese Freude hat sie offensichtlich inspiriert und so hat sie auch versucht, das Publikum möglichst unmittelbar daran zu beteiligen. Wie heißt es so schön bei Augustinus, um hier einen Philosophen an der Schwelle zwischen Antike und Frühmittelalter [s.o. Diss.] zu zitieren: „Nur wer selbst brennt, kann Feuer in anderen entfachen.“ Und in diesem Impetus trennt man natürlich nicht zwischen bezahlter Arbeit und ehrenamtlicher Tätigkeit, sondern beides fließt – genauso wie bei Renate Puvogel – ineinander über.

Pohlen hat auch die Arbeit mit den Künstlern immer genossen, womit sie stets „kein leichtes Genießen“ meinte, denn mit der sogenannten Spaßgesellschaft konnte sie nichts anfangen. Und in jedem differenzierten Statement, dass sie abgab, blitzte ihr hoher Anspruch auf, ohne dass sie dabei ihre feine Selbstkritik verlor, genauso wenig wie ihre stets reflektierte und elaborierte inhaltliche und formale Auseinandersetzung mit der Kunst ihrer Zeit. Sie versuchte immer offen zu bleiben, sich keineswegs einengen zu lassen. Dr. Annelie Pohlen blieb bis heute neugierig für jedwede Form aktueller Kunst, formulierte aber einmal einschränkend: „In der Kunst mag ich nichts Nettes oder nett Gemeintes!“

Es ging ihr in ihrer Ausstellungs- und Publikationstätigkeittätigkeit nicht darum, die erste zu sein. Ob jemand früher oder später entdeckt wurde, war ihr relativ gleichgültig. Vor allem die Sache musste sie interessieren. Auch richtete sich ihr Blick auf die Arbeit derjenigen Kollegen, die – wie sie selbst – konsequent an der Front agierten. Anstatt vorsichtig abzuwarten, lag ihr viel mehr das risikofreudige Engagement. In diesem Zusammenhang erwähnte sie auch Susanne Titz, die Direktorin des Städtischen Museums Abteiberg in Mönchengladbach, die von 1997 bis 2004 künstlerische Leiterin des Neuen Aachener Kunstvereins (NAK) in Aachen war und natürlich zum Netzwerk von Annelie Pohlen gehörte.

Annelie Pohlen hat sich in der Zeit nach 2004 wieder intensiver mit dem freien kritischen Schreiben befasst und konnte nun auch ihr Spektrum erneut breiter auffächern. Allein für das renommierte Kunstmagazin „Kunstforum“ entstanden seit 2004 bis heute rund 150 Beiträge. Jenseits aller Quantifizierung zeigt sich ihre ungebändigte Neugierde und eine bemerkenswerte kreative Kraft, die unsere Bewunderung verdient.



So haben beide, für die Kunst und Kultur überzeugend Streitende, Frau Renate Puvogel und Frau Dr. Annelie Pohlen, unsere Auszeichnung durch den Rheinlandtaler verdient. Mit der Verleihung verweist der LVR auf das unermüdliche Engagement beider in Aachen und in Bonn, auf ein Leben für die Kunst und Kultur der Region, die durch außerordentliche Vermittlungsarbeit auch darüber hinaus zur Wirkung und Entfaltung gebracht wird.

Wir brauchen Frauen wie Sie, die kritische und idealistische Multiplikatoren für die Kunst sind, damit der Stellenwert der Kunst als Medium der Schärfung unserer Wahrnehmung in der gesamten Region und in unserer Gesellschaft seine Relevanz nicht verliert!

Daher freue ich mich sehr, Ihnen nun den Rheinlandtaler zu überreichen, dessen Schauseite das Gesicht der Medusa zeigt, ein Unheil abwehrendes Zeichen, dass alle Misshelligkeiten von Ihnen beiden abwenden möge.

Wir sprechen unseren großen Dank aus - sehr verehrte Frau Puvogel, sehr verehrte Frau Dr. Pohlen - und bitten Sie nun nach vorne…

Prof. Dr. Jürgen Wilhelm,
stellvertretender Vorsitzender
der Landschaftsversammlung Rheinland

Städtisches Museum Abteiberg, Mönchengladbach
10. Juli 2018


Prof. Dr. Jürgen Wilhelm Foto Uwe Riedel

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!

lieber Rudij Bergmann
und many happy returns!

am Mittwoch, 12.12. 2018 sendet das Radio des SWR 4 auf UKW 104,1 von 16.30 bis 17.00 Uhr
einen Beitrag über ihn - einen Tag vor seinem 3/4 Jahrhundertgeburtstag.
Danach ist der Beitrag dauerhaft nachhörbar unter swr.de/mannheim „Kurpfälzer Köpfe“.


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